Dal giardino (44)

7. Oktober 2023
Ciao a tutte e tutti,
in Rom fängt am 22. September der Herbst an und das bedeutet, dass sich ein zweiter Frühling auftut. Im Gegensatz zum Norden, werden die Wiesen wieder grün – es beginnt zu blühen. Die Temperaturen steigen nur noch auf 29 Grad, es kann auch regnen (was es in diesem Herbst leider nicht tut).
Im Latium reifen die Oliven und Weintrauben, bei uns im Park reifen die Zitrusfrüchte. Mit den kühlen Nächten werden die Zitronen gelb. Sie brauchen kühle Temperaturen, um die Farbe zu wechseln. Bald werden die ersten Zitronen reif sein zur Ernte. Wir sind dann den ganzen Winter über gesegnet mit den schönen Früchten.
„Ottobrate Romane“ hießen früher die Sonntagsausflüge der Römer zu den Weingütern vor den Toren der Stadt. Es wurde bis in den Abend hinein getrunken und gefeiert. Beliebt war es, zum Monte Testaccio zu fahren, auch zur Gegend um den Monte Milvio und die Weingüter zwischen Monteverde und Porta San Pancrazio sowie vor der Porta San Giovanni und der Porta Pia (in der Nähe des heutigen Parks der Villa Massimo). Jene Art der Sonntagsausflüge gibt es in dieser Form nicht mehr, denn vor den Toren der alten Mauer steht die heutige Stadt. Die Ausflüge gehen heute weiter raus aufs Land, denn das schöne Licht ist geblieben.
Das Licht im Oktober ist lang nicht mehr so grell wie im Sommer. Es ist mild, vor allem morgens und abends; dann wird die Welt hier in warmes Licht getaucht.
Das natürliche Jahr beginnt im September. Das geht mit dem Rhythmus der Bienenvölker einher. Denn im Herbst werden die Grundlagen für das nächste Jahr gelegt: Die langlebigen Bienen schlüpfen und sie sind es, die den Stock über die Wintermonate bringen.
Die Pflanzen wachsen wieder, denn viele haben im Sommer bei der Hitze ihr Wachstum eingestellt oder haben sich unterirdisch verkrochen. Die Einjährigen treiben aus und sammeln Kräfte, die sie im Frühjahr zum Blühen bringen lassen.
Die Wandelröschen auf den Wiesen hinter den Studios blühen unentwegt, das ist beeindruckend. Genießt die Blüten noch bis in den Dezember hinein, denn danach wirken sie recht unansehnlich.
Morgens schimmert es zwischen den Zedern. Die blaue Zeder (Cedrus atlantica ‚Glauca‘), die vor Studio 5 steht, trägt viele kleine Zapfen, die alle in einem zarten Hellgraublau leuchten. Das verleiht ihr einen zarten Schimmer im Gegenlicht.
Eine Herbstfärbung, wie wir es aus dem Norden kennen, gibt es nicht wirklich hier in der Stadt der vielen Immergrünen. Die immergrünen Bäume tauschen ihr Blattwerk im Frühling, im März, wenn sie die älteren, meist 3-jährigen Blätter verlieren. Den Winter über bleibt das Blattwerk am Baum hängen. Das gilt für die Nadelgehölze wie Schirmkiefern und Zypressen, aber auch für die Steineichen, Lorbeer und Zitrusbäume. Einzig die Maulbeerbäume werden bald gelb leuchten. (Sie stehen auf der Wildblumenwiese vorne am Eingang neben den Eukalyptus und Olivenbäumen)
Bei einem Ausflug ins Latium, aufs Land und in die Berge, kann man in die gold-gelben Buchenwälder eintauchen, die sich überall um die alten Berge der Apenninen legen. Sie wachsen dort seit mehr als 10 000 Jahren, umhüllen das Kalkgestein und runden es sanft ab mit ihren runden Baumkronen, die von der Weite und von den Bergspitzen von oben herab wie überdimensional große Moosflächen aussehen. Die Wälder schenken der bergigen Landschaft etwas Mystisches. Im Unterholz überziehen leuchtend grüne Moose die schneeweißen Kalkfelsen, dazwischen verrottet das Laub. Der Untergrund ist steinhart, aber die lebendigen Oberflächen sind zart und fedrig leicht. Überall blühen Alpenveilchen mit ihren hellrosa Blütenköpfen leicht nach unten geneigt. Hin und wieder trifft man auf 500-jährige Bäume, deren Baumkronen einer Vielzahl von Tieren Lebensraum schenken. In den höheren Lagen (ab 1400 Metern) werden die Bäume meist nicht mehr höher als 15 Meter. Gedrungen im Wuchs, gestaltet vom Wind und den heißen Temperaturen im Sommer sind sie malerisch schön. Sie bilden eine eigentümliche Einheit mit den schroffen hellen Felsen. Das Wandern in den Wäldern im südlichen Latium hat wirklich etwas Märchenhaftes.
Bereits die Gebrüder Grimm waren inspiriert von den Zeichnungen der Künstler in Olevano Romano. Bei der Ausstellung „Olevano Romano - Vermessung eines Mythos“ im letzten Jahr, kam diese Verbindung ans Licht: Die Wälder in den deutschen Märchenbüchern sind im Grunde hier im Latium zu finden.
Viele liebe Grüße,
Erika