Dal giardino (51)


24. Januar 2024

Carissime, carissimi,

Rom liegt so weit südlich, dass es bereits zur subtropischen Klimazone zählt. Das heißt, die Winter sind mild und feucht, die Sommer heiß und trocken. Pflanzen wachsen vor allem im Herbst, ein wenig im Winter und dann im Frühjahr. Im Sommer herrscht Ruhephase. Im Norden ist es genau umgekehrt. Da ist es der Winter, der die Pflanzenwelt zur Ruhephase bringt.

Die Überlebensstrategien der Pflanzen orientieren sich an der schwierigsten Zeit – diese muss überwunden werden, der Rest gleicht sich an. Die Einjährigen beispielsweise bilden Samen aus. Das kleine harte Samenkorn kann die Sommerhitze überstehen, das feine Grünwerk der Pflanze nicht. Einjährige wachsen im Herbst, ruhen dann und entwickeln sich rasant im Frühjahr. Auf der Wiese bei den Obstbäumen wächst bereits der Lein (Linus usitatissimum), den ich im Herbst ausgesät habe. Die Einjährigen stehen kerzengerade da. Ich freue mich, dass die Vögel nicht alle Samen gepickt haben und bin gespannt, wann sie anfangen zu blühen. Es ist der echte Lein, dessen Samen die Leinsamen sind.

Der Frühsommer kommt recht schnell: Ich war im letzten Jahr Ende März in den Caracalla-Thermen, da blühte schon der Mohn auf den Wiesen. Der Mohn, als Teil der Kulturlandschaft des Latiums, blüht schon seit vielen hundert Jahren in dieser Gegend und auch in der Stadt Rom. Wahrscheinlich blühte er schon im alten Rom, denn es gab unzählige Gärten innerhalb der Stadtmauern. Die Samen überdauern die meiste Zeit im Jahr unter der Erde. Sie zeigen sich nur kurz, werden zur Blütezeit bestaunt und fallen dann wieder in Vergessenheit.

Ich bin von den unterschiedlichen Rhythmen, die sich in der Natur abspielen seit jeher fasziniert. Das Zusammenspiel ist im Grunde wie ein großes Orchester, welches nie aufhört zu existieren.
Die Pflanzen waren schon vor uns da, sie leben nach ihren eigenen Rhythmen und alle bilden zusammen ein großes Ganzes. Alles ist in ständiger Veränderung, weil es wächst und stirbt.

Rom der perfekte Ort, um die Sache mit der Zeit zu hinterfragen. Die Stadt schafft es auf unergründliche Art und Weise, die unterschiedlichen Zeiten perfekt miteinander zu verweben und dabei gewissermaßen aufzulösen. Judith Schalansky hat in einem ihrer Bücher geschrieben: “Roma non è tramontata, il passato non è finito, ma il futuro è già cominciato.” (Rom ist nicht untergegangen, das Vergangene ist nicht vorbei, nur die Zukunft hat schon angefangen.)

Die Grundstruktur des Parks aus den Jahren 1910 bis 1912 zeigt noch immer, dass es damals in erster Linie darum ging, einen Ort der Ruhe zu schaffen. Die klare Struktur mit den Alleen und dem Hauptplatz, die vielen Immergrünen, die ihr Erscheinungsbild nur langsam ändern und die geschnittenen Hecken, die die großen Wiesenflächen umranden. Früher waren die Hecken noch höher, da war es „ruhiger“. All das strahlt Ruhe aus. Die Wahl der Farben spielte natürlich auch eine große Rolle: Im Winter und Frühling gibt vor allem Blumen in den Farben Blau und Violett, danach wird es rosa und weiß und dann für eine kurze Zeit bunt.

Blau und Violett sind in der Natur eher seltene Farben, weil sie am Ende des Regenbogen-Spektrums liegen. Als Garten- und Parkpflanzen genutzt, haben sie etwas Edles, Zurückhaltendes ¬– vor allem wenn sie in den Wintermonaten blühen. Die Lavendelblüte im Sommer hat hingegen eine Wirkung, die eher Heiterkeit verströmt.

Bienen sehen diese Farben viel stärker und sind von Blau und Violett so stark fasziniert, dass sie auch noch im erschöpften Zustand die Farbe Blau erkennen.

Ich kann mich noch gut erinnern, als ich mich bei einer Lesung in Berlin (aus meinem Buch Die Stadtbienen) mit Tobias Hülswitt (aus seinem Buch Das Einmaleins der Honigbiene) über die Farbe Blau unterhielt. Ich beobachtete nämlich an meinen Bienenständen, dass die Bienenstöcke mit dem blauen Unterboden (im Gegensatz zu den anderen in den Farben Weiß, Gelb und Rot) immer diejenigen mit dem größten Honigertrag waren. Tobias arbeitete zu dieser Zeit mit dem Bienenforscher und Biologen Jürgen Tautz zusammen und wusste, dass Bienen, wenn sie erschöpft von den Sammelflügen heimkehrten, nur noch die Farbe Blau erkennen konnten. ha!

Bienen teilen sich ihre Energie bis ins kleinste Detail ein, denn sie sind so klein, dass der Tropfen Honig, den sie mitnehmen, um auszufliegen, reichen muss, um einen größeren Tropfen Nektar mit nach Hause zu bringen. Im Flug verschwimmt die Landschaft unter ihnen, sie wird erst im Anflug auf die Blüte scharf gestellt, denn das Sichtfeld scharf zu stellen, kostet mehr Energie. Der Sammelflug muss im Gedächtnis gespeichert sein und die Information muss abgerufen werden. Denn jede Biene kann bis zu drei Kilometer ausfliegen und den Stock wieder finden.

Im Park fangen die Rosmarin Sträucher an zu blühen. Sie stehen direkt vor den Studios und unweit des Bienenstandes. Rosmarin ist ein echter Winterblüher und eine traumhafte Bienenweide. Wenn er von der Sonne beschienen wird, produziert er Nektar, den die Bienen in Honig umwandeln. Wenn wir Glück haben und sie honigfleißig sind, wird der schöne Nektar im Frühlingshonig konserviert. Dazu kommt noch der feine Nektar der Duftveilchen, die an ein paar wenigen Stellen bereits blühen. Bald werden die Wiesen in violetten und lila Tönen schimmern und die weißen Gänseblümchen werden ihnen die Schau stehlen, denn sie sind noch strahlender. Bis das Farbspiel auf den Wiesen einsetzt, dauert es noch ein bisschen. Jetzt ist Zeit für ein wenig Ruhe im Park, weil es nachts so kalt ist. Doch die Ruhe ist nur von kurzer Dauer.

Mit vielen Grüßen,
Erika

Charlotte Seither

Judith Raum

Benedikt Hipp

Nezaket Ekici

Jörn Köppler

Gustav Düsing

Isa Melsheimer

Fanelsa - Matauschek

Anne Boissel

Gordon Kampe