Dal giardino (62)

5. September 2024
Ciao a tutte e tutti,
mein erster Gartenbrief an euch handelt von den Zypressen, den imposanten immergrünen säulenförmigen Bäumen, die entlang der Eingangsviale und der Viale dei Cipressi stehen und den Hauptplatz und auch das gesamte Gelände zum Teil einrahmen.
Sie sind hochgewachsen und ihr Nadelkleid ist eigentlich smaragdgrün schimmernd. Sie verleihen dem Ort etwas Schweres, Schwermütiges, Tragendes. Jedoch öffnen sie auch den Blick, den sie vorher eingrenzen und am Ende der Allee (vom Eingang hin zum Piazzale) wird es hell. Der Piazzale, der Hauptplatz vor der Villa, erscheint dann groß und weit. Der Blick geht auch nach oben, zum strahlend blauen Himmel hin. Der weiße Kieselbelag und die nahezu unkrautfreie Fläche unterstreicht diese Empfindung von etwas Großem Hellen Offenen. Dramaturgisch bestens inszeniert von Maximilian Zürcher, vor gut 100 Jahren, als er dem Gelände seine Struktur gab. Er war eigentlich Landschaftsmaler und deswegen wusste er um die Wirkung seiner Pflanzung.
Zypressen sind klassische Gehölze des Mittelmeerraums. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich weiter über Kleinasien bis in den Iran hinein. Es gibt überall im Mittelmeerraum sehr alte Bäume, die auf felsigem Untergrund leben. Sie bevorzugen volle Sonne und einen Boden, den sie sich mit ihren überlangen Wurzeln erschließen können. Denn darin sind sie meisterhaft und so gelingt es ihnen, mit wenig Wasser (Regen) auch lange Trockenperioden zu überstehen. Sie werden am Naturstandort über tausend Jahre alt und sind wahre Überlebenskünstler.
Die meisten Zypressen, die wir im Stadtraum sehen, sind kultiviert und es gibt kaum einen Garten in Italien, der ohne Zypressen auskommt. Sie wachsen auch im Öffentlichen Raum, begleiten Straßen, stehen auf Friedhöfen. Auf Friedhöfen stehen Zypressen oft eng beieinander. Im Volksglauben zeigen sie den Seelen ihren Weg nach oben. Sie symbolisieren Langlebigkeit.
Auf dem Gelände der Villa Massimo wachsen mehrere Hundert Zypressen. Sie stehen still da. Unverändert das ganze Jahr über. Auf dem Piazzale stehen die ältesten Zypressen, die schon da waren, als der Ort noch Eigentum der Familie Massimo war. Wir schätzen ihr Alter auf knapp 200 Jahre. Sie bilden zusammen mit der alten Schirmkiefer die Gruppe der Alten und Weisen, die wirklich alles, was sich auf dem Hauptplatz seit der Entwicklung zur Kunstakademie zugetragen hat, gesehen und beobachtet haben. Leider kann niemand die Kommentare verstehen und so können wir nur erahnen, ob sie überhaupt Anteil daran nehmen oder was sie eigentlich bewegt.
Aufgrund negativer Umwelteinflüsse leidet die Pflanzengattung der Zypressen seit vielen Jahren. Seit 50 Jahren werden im Mittelmeerraum Pilzkrankheiten bei Cupressus sempervirens diagnostiziert. Seiridium cardinale, beispielsweise, ist u.a. für den Zypressenkrebs verantwortlich. Im Park der Villa Massimo ersetzte man in den späten 80er Jahren einige alte Zypressen mit Neuzüchtungen aus der Toskana. Diese Pflanzen sollten resistent sein. 30 Jahre später sehen wir, dass es auch für diese Pflanzen schwierig ist, unter den hiesigen Bedingungen alt zu werden.
Das Nadelkleid der Zypressen schimmert nicht mehr smaragdgrün, sondern ist mit braunen Fäden durchzogen. Die braunen abgestorbenen Nadeln und Triebe sind unübersehbar. Nicht jeder Baum ist davon befallen und manche Bäume sind widerstandsfähiger als andere. Aber es betrifft die meisten Bäume im Park. (Wir sind natürlich nicht die einzigen, deren Zypressen leiden. Es trifft Garten- und Waldbesitzer und Kommunen gleichermaßen.)
Gelingt es uns, mit entsprechenden Pflegemaßnahmen die Zypressen nicht nur am Leben zu erhalten, sondern sie auch in ihrer (ursprünglichen) Vitalität zu fördern? Gibt es Pflegemaßnahmen, die einen nennenswerten Effekt auf die Gehölze haben? Zypressen sind langlebig und ihr Organismus bewegt sich langsam. Die Art und Weise wie sie sich anzupassen verstehen sehen wir deswegen in zeitverzögertem Abstand.
Einmal im Jahr kommunizieren sie. Es ist im Februar, wenn sie ihren gesamten Blütenstaub in die Umgebung abwerfen. Auf einen Schlag. Millionen von Staubkörnern bilden Blütenstaubwolken aus, die zur selben Zeit freigesetzt werden. puff.
Alles ist dann Weiß, mit ein wenig Gelb. Sogar der Himmel ist weiß in diesen Tagen.
Dann stehen sie da, düster, aber auch lächelnd und entlassen ihre Samen in die Welt.
Und danach kehrt wieder Stille und Ruhe ein, für den Rest der Zeit.
Ein paar der Zypressen verfärben nun ihren Stamm. Auf der Nordseite bildet sich eine Art Grünspan, der eine grau-blau-grüne Farbe aufweist. Er schadet den Bäumen nicht, sagt die Gartenfirma. Für mich zeigt sich darin eine weitere Schwäche in der Abwehr. Es ist im Grunde gleich. Wir beobachten und behandeln nicht. Farblich passt der Grünspan gut zum Graublau der Olivenbäume (am Eingang) oder auch zum Blaugrau der Blätter der Echium Sträucher (an der Bocciabahn). Dort hinten sieht man hin und wieder einen Baumläufer den Stamm hochlaufen. Ihm ist es egal.
Die Zypressensilhouetten sind für den Park einzigartig. Sie bilden mit den Schirmkiefern zusammen die Umrandung der Anlage. Als Schattenbilder in der blauen Stunde sind sie eigentlich unersetzlich.
viele Grüße,
Erika
